Nicole Knapstein betreibt die Seite fischeinkaufsfuehrer.de und engagiert sich in mehreren Projekten für die nachhaltige Fischerei an Nord- und Ostseeküste. Wir wollten von ihr wissen, welchen Fisch man im Urlaub unbedenklich verspeisen kann, wie es um die Küstenfischerei bestellt ist und warum die Krabben aus Amrum eigentlich in Marokko gepult werden.
zweiküsten: Im Supermarkt ist Fisch kaufen zu einer komplizierten Sache geworden – sofern man nachhaltig gefangenen und frischen Fisch haben möchte. Wie sieht es an der Küste aus: Kann man den Fisch aus dem kleinen Fischladen im Urlaubsort unbedenklich verspeisen?
Nicole Knapstein: In den kleinen, traditionellen Fischereien kann man eigentlich wenig falsch machen, da die Nord- und Ostseefischerei durch die EU nachhaltig gemacht worden ist – vorausgesetzt man isst Fisch, der auch dort vor der Küste gefangen wurde.
Nun liegt in diesen Läden aber auch gern Lachs aus Norwegen. Wie kann ich sicher sein, dass der Fisch auch tatsächlich regional gefischt wurde?
Es gibt zwar eine Kennzeichnungspflicht, aber in kleinen Läden liegt der Fisch oft einfach so in der Vitrine. Dann einfach nachfragen. Und dann erfährt man vielleicht, dass der Heilbutt, der da im Ofen hängt, zwar frisch geräuchert ist, aber gar nicht hier gefangen wurde.
Was vermutlich manchen erstaunen dürfte – gibt es den geräucherten Heilbutt doch so flächendeckend an der Ostsee zu kaufen, dass der Laie ihn für einen typischen Ostseefisch halten könnte…
Ok, vor ein paar Wochen wurde tatsächlich mal ein Heilbutt aus der Ostsee gefischt. Doch das war eine Sensation und ging durch alle Zeitungen. Heimisch ist der Heilbutt in kalten Gewässern, vor Norwegen oder Island, im Nordostatlantik. Aber auch Lachse werden im Winter mit den hiesigen Stellnetzen gefangen. Die muss man aber schon direkt beim Fischer kaufen.
Wenn es dennoch der Heilbutt aus Norwegen sein soll, was gilt es zu beachten?
Dann wird die Sache kompliziert. Man müsste sich auskennen mit Fanggebieten und ‑methoden und die entsprechenden Informationen bekommen. Aber wenn ich an der Küste bin: Warum sollte ich dann nicht lieber einen Fisch essen, der wirklich von hier ist?
Was wäre eine einheimische Alternative?
Eine frisch geräucherte Flunder ist was ganz tolles. Oder ein Hering. In der Nordsee wäre Makrele noch eine Alternative.
Manchmal kommt es vor, dass der Fang auf dem Teller zwar vor Ort gefischt wurde, aber dennoch schon eine halbe Weltreise hinter sich hat. Stichwort: Nordseekrabben. Die werden kaum noch vor Ort gepult, sondern größtenteils in Marokko. Warum ausgerechnet dort?
Weil der Krabbenmarkt von zwei Firmen beherrscht wird, die sich in Marokko, wo die Löhne sehr viel niedriger sind, irgendwann diese Anlagen aufgebaut haben und diese nun ausnutzen.
Was passiert konkret mit der Krabbe aus der Nordsee?
Die Krabbe wird angelandet und erstmal in der Siebstelle nach Größe sortiert, weil nur bestimmte Größen für den menschlichen Verzehr verkauft werden dürfen. Dann kommt sie in ein Benzoesäurebad und wird im LKW nach Marokko gebracht, wo sie per Hand gepult wird. Das gepulte Fleisch kommt wieder in ein Bad aus Benzoesäure und wird den ganzen Weg zurücktransportiert. Wenn die Krabbe endlich dort ankommt, wo sie gefischt wurde, ist sie 14 Tage alt. Von dem ursprünglichen Geschmack ist nichts mehr da.
Auf Amrum las ich letztens in einer Speisekarte, dass die verwendeten Krabben tatsächlich auf Amrum gepult wurden…
Ja, es gibt immer mehr kleine Gastronomien, die den Gästen vermitteln, wie echte Nordseekrabben schmecken. Auch unser Verein unternimmt diverse Aktivitäten zur Aufklärung und Sensibilisierung der Verbraucher. So motivieren wir sie zum Beispiel, mal selbst zu pulen. Oder auch dazu, es zu lassen: Wenn man nur den Kopf von der Krabbe trennt, kann man die oft auch gut mit der Schale verarbeiten, als knackige Salatbeilage zum Beispiel.
Ist denn Fisch vom Kutter immer unbedenklich? Oder gibt es unter den Fischern auch mal schwarze Schafe?
Die Fischer können eigentlich sehr wenig falsch machen, weil die Fischerei dermaßen eng kontrolliert ist. Die Bestände werden nachhaltig befischt und die Meeresumwelt soweit möglich geschont. Es gibt auch keine den Meeresboden aufwühlende Schleppnetzfischerei. Und illegale Fischereien, wie auf anderen Meeren, erst recht nicht.
Nachhaltige Fischerei hat eine lange Tradition an der Ostsee. Schon im Mittelalter wurden Fangquoten reglementiert. Hatte man damals schon die Befürchtung, den Fischbestand zu gefährden? Oder ging es um Privilegien?
Es ging einerseits natürlich um Privilegien, aber es ging vor allem um eine langfristige ökonomische Absicherung. Zwar dachte damals noch niemand daran, die Natur zu schützen, aber daran, dass man auch übermorgen noch Fisch fischen will.
Heute muss man sich indes fragen, ob es übermorgen überhaupt noch Küstenfischer gibt…
Ja, viele sagen, dass die Küstenfischerei aussterben wird. Zumindest werden in diesem Jahr noch viele Betriebe aufgeben: Die Dorschquote wurde gesenkt, und viele Betriebe, die vom Dorschfang abhängig sind, werden kaum überleben können. Auch abgesehen davon dürfte die Küstenfischerei schrumpfen, doch ganz verschwinden wird sie meines Erachtens nicht. Vor allem Fischer, die ein paar Standbeine mehr haben, etwa Gastronomie anbieten und die Direktvermarktung professioneller machen, werden überleben.
Hierbei hilft ja auch der Fisch-Einkaufsführer für Mecklenburg-Vorpommern, der sämtliche Fischer an der Ostseeküste vorstellt und Adressen listet. Vor wenigen Wochen haben Sie die zweite Ausgabe herausgebracht.
Hintergedanke des Einkaufsführers war: Da die Fischer kaum Werbung für sich machen, wissen die Kunden nichts von ihnen, beide kommen also nicht zusammen. Diese Lücke wollten wir füllen. Zusätzlich wollten wir auch für das Land etwas tun, weil die kleinen Fischereibetriebe für die Orte und Häfen allein schon unter touristischen Aspekten sehr wichtig sind.
Der Einkaufsführer beinhaltet auch ein paar Fischrezepte. Wie bereiten Sie Fisch am liebsten zu? Und welcher Fisch kommt bei Ihnen gern auf den Teller?
Dorsch oder Kabeljau. In Olivenöl gebraten. Einfach einfach, so mag ich ihn am liebsten.
Interview: Cornelia Jeske