Die Kür der schönsten ist immer eine heikle Sache, da Geschmäcker verschieden und die Kriterien oft kritisch sind. Wir haben uns bei der Wahl der schönsten Stränden nicht nur von Äußerlichkeiten leiten lassen, sondern auch geschaut, was der Strand neben dem weichen Sand und blauem Wasser noch zu bieten hat: eine originelle Geschichte zum Beispiel, eine spannende Lage oder ein ganz besonders urwüchsiges Stück Natur drumherum. Vorhang auf also für unsere 10 schönsten Strände der Ostsee!
Usedom, kurz vor Polen
Wo kann man das sonst: an einem herrlich breiten und nahezu unberührten Strand entlanglaufen und dabei unversehens und unbemerkt die Seiten wechseln, von einem Land zum nächsten – ohne Stacheldraht zu durchtrennen oder griesgrämige Grenzer zu passieren? Man merkt noch nicht mal, dass man die Grenze passiert. Denn dafür müsste man den Blick auf die Düne heften, statt aufs Meer, und die rudimentären Grenzanlagen, mehr Denkmal als Grenze, versteckt in den Dünen ausmachen. Man könnte dann hochlaufen, den Bohlenweg entlang und ein Foto von sich machen, wie man zwischen den Ländern steht. Man kann aber auch einfach am Strand weiter laufen, bis man immer mehr Polnisch als Deutsch hört, Strandkörbe vergeblich sucht und plötzlich eine unerklärliche Lust verspürt auf Waffeln mit Schlagsahne und Erdbeeren obendrauf. Willkommen in Świnoujście, der polnischen und großstädtischen Seite Usedoms!
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Rügen, Schaabe
Aus der Luft betrachtet wirkt diese Nehrung mit etwas Fantasie wie das Oberteil eines überdimensionalen Bikinis, das sich zwischen den Halbinseln Jasmund und Wittow spannt. Und das passt sogar: Auf Schaabe lässt man die Textilien nämlich gern im Sand liegen oder packt sie gar nicht erst ein. FKK ist weit verbreitet und gehört hier auch gut hin. Denn auf der Schaabe darf Natur noch Natur sein, die zwölf Kilometer lange Nehrung ist nicht verbaut. Lediglich eine Straße gibt es, einen Fahrradweg und eine Försterei. Sonst nichts. Kein Kiosk, keine Strandbar, kein Eiscafé. Wer hier den Tag verbringen will, sollte sich also einen Imbiss einstecken. Gebildet hat sich die bizarre Form der Schaabe übrigens durch die Kraft der Brandung. Diese trägt nun auch gern wieder Sandmassen ab. Das soll der aufwändig gepflanzte Strandhafer verhindern. Damit die Bikini-Figur erhalten bleibt.
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Darss, Weststrand
Diese Strandschönheit ist es gewohnt, ständig unter die Besten gewählt zu werden. Arte kürte den 14 Kilometer langen Weststrand auf dem Darss sogar zu einem der zehn schönsten Strände der Welt. Was macht ihn aus? Das Wilde. Das Urwüchsige. Das Romantische. Das Endlose. Hier formten Flora und Wind bizarre Baumgestalten, Windflüchter genannt, weil sie ihre Krone vom Meer abwenden als wollten sie fliehen. Bäume dürfen sich in den Sand fallen lassen und einfach liegen bleiben. Badegäste tun es ihnen gleich. Mancher bastelt sich vorher noch aus herum liegenden Ästen und Zweigen einen Windschutz. Denn Strandkörbe sucht man am Weststrand ebenso vergeblich wie Kioske und Kinderanimation. Das Geheimnis also dieser Strandschönheit: Sie kommt ohne Kosmetik aus, ohne Eingriffe, ohne Reparaturen – und ist einfach ganz natürlich.
Warnemünde
Er ist der breiteste Strand der deutschen Ostseeküste: 100 bis 150 Meter läuft man in Warnemünde von der Promenade bis zum Wasser, und zwar über feinsten Ostseestrand. Dabei heftet sich der Blick an den Horizont, wo in diesem Moment vermutlich gerade ein großer Kreuzer Kurs auf den Hafen der Stadt nimmt (Warnemünde ist Deutschlands wichtigster Kreuzfahrthafen). Oder ein paar herrliche Großsegler zum jährlichen Schaulaufen einlaufen (immer im August zur Hanse Sail). Hier gibt es ständig was zu gucken. Dass hinter dem Strand ein paar hohe Häuser stehen und es dort plötzlich sehr urban wird, kann man da prima ausblenden. Tatsächlich stören die Hotelbauten – das Neptun, das a‑ja – nicht. Denn die sind so weit weg, dass sie weder Schatten werfen, noch sich in den Blick drängeln. Und irgendwie hat es doch auch seinen Reiz, eine ganze Stadt im Rücken zu wissen.
Nienhagen, Gespensterwald
Die Sonne muss tief stehen, um diesem Gespensterwald etwas gespenstisches abzugewinnen. Denn dann werfen die bizarren, von Wind und Seeluft geformten, knochigen Bäume lange Schatten und scheinen das Licht gespenstisch gefangen zu halten, wie in dem Käfig eines bösen Zauberers. Ansonsten fällt es schwer, hier Gruseliges zu entdecken, ist das etwa 180 Hektar große Mischwaldstück namens Nienhäger Holz – etwa auf halber Strecke zwischen Heiligendamm und Warnemünde gelegen – doch vor allem eines: auf einzigartige Weise schön. Besonders, wenn sich das Blau des Meeres als Hintergrund aufspielt und die Sonne die spärliche Belaubung in den Baumkronen leuchten lässt. Wer hier am Strand liegt, sollte den Blick auf die Bäume heften, wie er es sonst vielleicht mit den Wolken tut, und seiner Fantasie freien Lauf lassen. Vielleicht fällt ihm dabei ja eine märchenhafte Geschichte ein, in der auch das ein oder andere Gespenst herumspuken darf.
Boltenhagen im Klützer Winkel
Erst wundert man sich über die nächtliche Beleuchtung am Strand. Doch dann dämmert es: Natürlich, wir sind in Boltenhagen, dem einst westlichsten Strand der DDR, Hoffnungsgewässer für Republikflüchtlinge und Herausforderung für Scheinwerfer und andere Leuchtmittel. Heute leuchtet das Licht in der Nacht allenfalls der Erinnerung den Weg. Und Mitternachtsbadenden, die natürlich keine Verfolgung mehr fürchten müssen und den Strand stattdessen in einer ganz eigenen Stimmung genießen. Aber auch bei Tageslicht ist der Strand von Boltenhagen beeindruckend. Fünf Kilometer lang und 30 bis 50 Meter breit, mit einem üppigen Küstenwald im Rücken und der zweithöchsten Steilküste der deutschen Ostsee zur linken Hand. Vor allem Familien zieht es im Sommer hierher. Denn das Wasser ist schön flach und der Strand nicht so voll. Und wer die Einsamkeit bevorzugt, der wandert einfach ein bisschen im Klützer Winkel herum, dem ehemaligen Grenzgebiet – und trifft hier zuweilen keine einzige Menschenseele.
Fehmarn, Südstrand Burgtiefe
Nein, schön sind sie nicht, die drei Wolkenkratzer aus den Sechzigerjahren, die direkt hinter dem Strand in den Himmel schießen. Der Name des Architekten – es war kein geringerer als Arne Jacobsen – macht sie leider auch nicht schöner. Denn der wollte gar nicht so hoch bauen. Fünf Etagen sollte sein Ensemble maximal aus dem platten Eiland wachsen. Die Lokalpolitiker machten 17 draus – und damit nicht nur den dänischen Star-Architekten unglücklich. Wer heute am Südstrand Burgtiefe auf Fehmarn Urlaub macht, kommt also um den Anblick der drei Hochhäuser (zwei von ihnen beherbergen ein Hotel, das andere eine Mutter-Kind-Klinik) nicht herum. Am besten postiert er sich so, dass er die Bauten im Rücken und nicht im Blick hat – was prima geht, denn der Südstrand zwingt die Sonnenanbeter nicht dazu, sich umzudrehen – oder er checkt gleich direkt im IFA-Hotel ein. Denn wer drin sitzt, kann rausgucken: aufs Meer! Und der Ausblick ist in allen Apartments, das hat Jacobsen perfekt geplant, einfach grandios.
Fehmarn gehört übrigens zu den 5 beliebtesten deutschen Urlaubsinseln. Hier geht es zum Artikel.
Grömitz und Lensterstrand
Grömitz gehört zu den ältesten Seebädern der Ostsee: Ab 1813 empfing das damalige Fischerdorf seine ersten Gäste und ließ sie in aufgewärmtem Meerwasser baden. Das geht auch heute noch, im Spaßbad Grömitzer Welle. Aber eigentlich erwärmt sich das Wasser an schönen Tagen in der flachen Bucht sehr gut selbst. Und leuchtet dabei manchmal so karibisch Türkis, dass jeder Flug in die Ferne ein Legitimationsproblem bekommt. Tatsächlich ist der Strand von Grömitz traumhaft, der Sand einer der feinsten, und ein Ende – bei acht Kilometern Gesamtlänge – nicht in Sicht. Doch wer jetzt denkt, dass sich da selbst in der Hochsaison ein ruhiges Plätzchen finden müsste, dürfte vor Ort eines besseren belehrt werden. Grömitz ist vor Timmendorfer Strand der wichtigste Ferienort an der Ostseeküste von Schleswig Holstein. Wem das zu viel Trubel ist, der wandert einfach ein Stück weiter zum naturgeschützten Lensterstrand und genießt die Idylle.
Weidefelder Strand bei Kappeln
Nebenan wird ein bisschen Skandinavien gespielt: OstseeFjord nennen die Touristiker die Schlei, weil sie glauben, diese Gegend damit besser vermarkten zu können. Dabei ist die Schlei gar kein Fjord. Sondern schlicht ein Meeresarm, der sich 40 Kilometer ins Land hinein räkelt – und verbales Aufdonnern übrigens überhaupt nicht nötig hat. Und ist Meeresarm nicht auch ein schönes Wort, das Assoziationen weckt? Damit lässt sich zum Beispiel sehr anschaulich die Lage des Weidefelder Strandes bei Kappeln beschreiben, denn der liegt quasi in der Achselhöhle jenes Gliedmaßes: An der Schleimündung in Schleimünde nimmt der Strand seinen Anfang und endet im Ostseebad Schönhagen. Drei Kilometer, auf denen sich feinster Sandstrand, ein niedriger Dünengürtel und flaches Wasser zu einen kleinen Traumstrand vereinen. An Skandinavien denkt hier niemand, eher ans Mittelmeer.
Wassersleben bei Flensburg
Wassersleben! Der Name scheint eigens geschaffen für diese kleine Perle von Strand, die sich nahe der dänischen Grenze in eine Bucht schmiegt und seine Badegäste weder zu größerer Bewegung nötigt (man kann im Liegen bis nach Dänemark gucken) noch zu langen Strandspaziergängen (das Ende des Strandes ist schnell in Sicht) und sie stattdessen beim Bade mit weichem, fast warmen Wasser freundlich umspielt. Savoir-vivre am Strand. Wassersleben! Doch erstaunlicherweise wurde der Name gar nicht durch den begeisterten Ausruf eines vorbeiflanierenden Vorfahren kreiert. Vielmehr geht er auf einen Herrn Konferenzrat Joachim Wasserschlebe zurück, der hier im Jahr 1780 ein größeres Grundstück als Altersruhesitz erwarb.
Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift DÜNENZEIT Ostsee, Ausgabe Sommer 2017. Die Zeitschrift mit Reportagen und Ausflugstipps für die Küsten von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gibt es zum Preis von 5,90 Euro am Kiosk oder hier online.
Euer Lieblingsstrand ist nicht dabei? Dann ergänzt ihn gern unten im Kommentarfeld. Es sei denn, Ihr wollt ihn lieber für euch behalten…