Zum Gruseln: Diese 3 Orte auf Rügen sind echt unheimlich

Verlassene Orte und dichte Wälder sind so unheimlich wie anziehend, so faszinierend wie romantisch. Auf Rügen findet man einige ganz besondere dieser „abandoned places“ – und Wälder, in denen tatsächlich bizarre Kreaturen leben. Jetzt ist die beste Jahreszeit, sie zu entdecken. Eine Tour an drei ziemlich gruselige Orte.

 

1. Die Ruinen von Dwasieden

Drei Prü­fun­gen muss der Wan­der­er beste­hen, will er in Dwasieden das Fürcht­en ler­nen: Er muss eine gewölbte Holzbrücke passieren, was bei feuchtem Wet­ter so unmöglich erscheint wie eine mit Seifen­lauge aus­gegossene Rutsche hochzuk­let­tern – Mil­lime­ter­weise geht es voran, das Gelän­der wird zum Kom­plizen. Kaum ist die Brücke bewältigt, liegt ein gewaltiger Baum quer über dem Weg. Es ist die zweite Prü­fung. Die Dritte: Man muss seine Angst in den Griff bekom­men. Und das wird nicht leicht in diesem Wald.

Verlassene Orte: NVA-Gelände Dwasieden in Sassnitz/Rügen

Junge Buchen umzäunen die ver­lasse­nen NVA-Gebäude. © jes/zweiküsten

Aus­geschlachtete Barack­en, einst von Mil­itärs genutzt, liegen tief im Dic­kicht. Wie leere Augen­höhlen glotzen ihre Öff­nun­gen auf die Wege. Junge Buchen umste­hen die Gebäudegerippe; wie Git­ter­stäbe eines Gefäng­niss­es wirken ihre dün­nen Stämme. Ein Knack­sen von irgend­wo. Der Puls geht schneller, die Kam­era wack­elt in zit­tern­den Händen.

Vom Marstall von Schloss Dwasieden bei Sassnitz auf Rügen steht nur noch die Fassade.

Vom Marstall von Schloss Dwasieden ste­ht nur noch die Fas­sade. © jes/zweiküsten

Plöt­zlich, zwis­chen all den leeren Beton­baut­en des let­zten Jahrhun­derts, eine neok­las­sizis­tis­che Fas­sade. Das Gebäude dahin­ter fehlt. Abfall häuft sich. Büsche wuch­ern aus dem Mauer­w­erk. Eine einzelne Säule streckt ihr hüb­sches Kapitell in die Luft, tra­gen muss sie nichts mehr. So unheim­lich und geheimnisvoll wirkt die Gebäude­hülle wie die polierte Rit­ter­rüs­tung in einem dun­klen Schloss, in der sich ein Geist versteckt.

Marstall von Schloss Dwasieden in Sassnitz/Rügen

Hin­ter der Fas­sade des Marstalls erobert sich die Natur das Ter­rain zurück. © jes/zweiküsten

Es war der Marstall von Dwasieden, der nicht wie das Schloss 1948 gesprengt wurde, aber gut 50 Jahre später aus­bran­nte. Zuvor wurde er noch von der Nationalen Volk­sarmee genutzt, die das Gelände nach dem Krieg bezog – und Anfang der 1990er ver­ließ. Seit­dem ver­fall­en hier Zeu­gen ver­schieden­er Zeit­en: die hässlichen Zweck­baut­en des Mil­itärs und die Über­reste des Schloss­es Dwasieden, das einst eines der schön­sten Som­mer­sitze Rügens war.

Ein Schüler von Schinkel hat­te es von 1873 bis 1877 aus Sand­stein und Mar­mor für einen Banki­er aus Berlin gebaut. Kennze­ich­nend waren zwei Aus­sicht­stürme sowie die bei­den Säu­lengänge an jed­er Seite, die zu roman­tis­chen Pavil­lons führten. Reste davon liegen unweit des Marstalls ver­sprenkt im Wald. Leichen­teile eines Schlosses.

Anreise und Infos

Vom Bahn­hof in Sass­nitz ger­adeaus, an dem kleinen Kreisverkehr links und an dem Platz vor dem Hotel Rügen rechts auf die große Fußgänger­brücke zum Hafen gehen. Unten angekom­men in die Hafen­straße (nicht Rich­tung Touris­ten­in­for­ma­tion, son­dern stad­tauswärts), die bald in die Straße der Jugend überge­ht. Nach der Biegung erscheint auf der linken Seite oben erwäh­nte Holzbrücke. Weit­ere Infor­ma­tio­nen zum Schloss und Ter­mine von Führun­gen gibt es hier.

 

2. Gruselturm und Hexenbuchen

Spin­nen­weben span­nen sich um das ver­git­terte Fen­ster; Efeu kriecht über das Gemäuer; eine Treppe führt hoch ins Nichts; hin­ter ein­er Öff­nung im Turm klafft tief­schwarze Leere – wie ein Ver­ließ aus dem Mit­te­lal­ter wirkt der Turm im Wald­park Sem­per bei Liet­zow. Und fast meint man die Schreie einges­per­rter Jungfrauen zu hören. Doch es ist nur der Wind, der durch die Baumkro­nen zieht.

Wasserturm um Waldpark Semper in Lietzow auf Rügen

Wasser­turm um Wald­park Sem­per in Liet­zow. © jes/zweiküsten

Das Gemäuer ist auch lange nicht so alt wie es aussieht. Anfang des 20. Jahrhun­derts wurde es hier in den Wald gebaut – der Ruinen­charme war dur­chaus gewollt – und als Wasser­turm genutzt. Heute ist er vor allem eines: Ein würdi­ger Porti­er für den Hex­en­wald, der wenige Meter weit­er seinen Grusel entfaltet.

Die Hexenbuchen von Lietzow

In bizarren Ver­renkun­gen schrauben sich die Stämme und Äste der Bäume in die Luft. Als wür­den sie sich aus Schmerz krüm­men und winden. Aber vielle­icht tanzen sie auch ein­fach nur, wild und frei, bar jed­er Dra­maturgie? Dass die bizarren For­men dieser so genan­nten Sün­tel­buchen nicht dem Märchen entsprin­gen, son­dern ein­er Muta­tion, mag man da gar nicht so gern hören. Viel lieber lässt man doch der Fan­tasie freien Lauf, während man wie angewurzelt da ste­ht und kleine Schauer über den Rück­en jagen.

Die so genannten Süntelbuchen, auch Hexenbuchen genannt, im Waldpark Semper in Lietzow

Die so genan­nten Sün­tel­buchen, auch Hex­en­buchen genan­nt, im Wald­park Sem­per in Liet­zow. © jes/zweiküsten

Anreise und Infos

Liet­zow ist ein­er der weni­gen Orte auf Rügen, die mit dem Zug gut zu erre­ichen sind. Vom Bahn­hof Rich­tung Bod­den laufen und den Hin­weiss­childern zum Wald­park Sem­per und dann zum „Hex­en­wald“ oder „Krüp­pel­buchen“ fol­gen. Am Wasser­turm geht es rechts zu den Sün­tel­buchen. Achtung: Nicht vor­beilaufen. Im Som­mer erken­nt man die Baum­gruppe an dem dicht­en Blät­ter­dach, das sie nahezu kom­plett ein­hüllt. Als Ori­en­tierung dient eine kleine Bank link­er­hand, die Buchen ste­hen rechts.

 

3. Monster am Meer

Das „gebaute Böse“ ist er für Daniel Libe­skind, das „Mon­ster am Meer“ für die Medi­en – der 4,5 Kilo­me­ter lange Gebäudegi­gant, den die Nazis einst an den schö­nen Strand von Pro­ra set­zten. Ein Pro­to­typ des neuen deutschen See­bades sollte er wer­den und Platz bieten für 20.000 arische Urlauber, die hier „Kraft durch Freude“ tanken sollten.

Dazu kam es nie, der Krieg führte zum Baustopp. Anstelle von Urlaubern zogen wenige Jahre später Sol­dat­en ein: In der DDR wurde der Nazi-Klotz zur NVA-Kaserne. Jet­zt wird er saniert. Hotels und Ferien­woh­nun­gen entste­hen, das Graubraun der Fas­sade macht einem fre­undlichen Weiß Platz, Balkone zeigen zum Meer. Wie ursprünglich von Hitler geplant, wird der Bau nun zum Ferienort – allein die Geschichte ist zum Gruseln.

Prora Ruine Bauarbeiten

Hier wird saniert: Pro­ra wird Ferien­paradies. © jes/zweiküsten

Der mon­ströse Bau in den unter­schiedlich­sten Sta­di­en der Sanierung ist es erst recht: Ob als stark ver­fal­l­ene Ruine, entk­erntes Gebäude mit Fen­ster­löch­ern wie offene Wun­den oder fer­tiges Ferienglück im Plat­ten­baucharme – man möchte eigentlich nur schnell weg. Also ab an den Strand, der tat­säch­lich ein­er der schön­sten ist, den die Insel zu bieten hat.

Prora Strand Terrasse Ruine

Eine angeschweißte Tür führt ins Nichst. © jes/zweikuesten

Doch auch dort wartet das Grauen. Wo die Gebäudezeile eine Pause macht, liegt eine ver­fal­l­ene, riesige Ter­rasse am Meer. Eine Tür, auf der Brüs­tung angeschweißt, führt ins Nichts. Wellen schla­gen erbar­mungs­los gegen die Mauern, als wür­den auch sie ver­suchen, was irgend­wie unmöglich scheint: den Bau der Nazis zu zer­stören. Ein ein­samer Stuhl ste­ht ver­lassen auf Beton. Wer hat da wohl gesessen? „Gefahr“ ste­ht über­all. Man glaubt es sofort.

Prora Strand Ruine

Ein­samer Stuhl auf Nazi-Beton. © jes/zweikuesten

Anfahrt und Info

Mit dem Zug nach Pro­ra-Ost, von dort Rich­tung Strand. Das Gebäudemon­ster ist nicht zu überse­hen, wen­ngle­ich nicht in sein­er Gänze zu überblick­en. Dafür müsste man auf den Adler­horst im Baumwipfelp­fad von Pro­ra, der sich auch aus ganz anderen Grün­den lohnt. Ein Doku­men­ta­tion­szen­trum informiert über die Geschichte des Baus vor Ort. Einen Vorgeschmack gibt es hier beim ZDF. Mehr über den Bauboom in Pro­ra lest ihr hier.

Touren-Tipp: Wer alle drei Orte an einem Tag erleben will, fängt am besten in Sass­nitz an, fährt von dort mit dem Zug nach Liet­zow und kann dann nach Pro­ra wan­dern (Rich­tung Feuer­ste­in­felder, dann Rich­tung Pro­ra) oder eben­falls den Zug nehmen. Am Strand von Pro­ra kann man den Tag gut ausklin­gen lassen.

 

Die Orte auf der Karte:

 

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