Bayern hat das Dirndl und die Lederhose, doch was hat Mecklenburg-Vorpommern? Nichts dergleichen. Das soll sich nun ändern und Jette Joop dabei helfen: als Jury-Vorsitzende im Ideen-Wettbewerb „Trachten neu erleben“, zu dem der Landestourismusverband, der Heimatverband sowie das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Mecklenburg-Vorpommerns Ende letzten Jahres aufriefen. Gesucht wird eine Art „Küstendirndl“. Wir fragten Jette Joop, wie so etwas aussehen könnte.
zweiküsten: Frau Joop, als Modedesignerin sind für gewöhnlich Sie diejenige, die Entwürfe vorlegt. Wie ist es, plötzlich auf der anderen Seite zu stehen?
Jette Joop: Das ist tatsächlich mal etwas ganz anderes und sehr spannend. Aber ich konnte meine Erfahrungen als Designerin durchaus einbringen. So gab es zum Beispiel mit den drei Finalistinnen des Wettbewerbs einen Workshop in meinem Atelier in Hamburg, bevor wir in der Jury den Gewinnerentwurf prämierten. Aber natürlich fragt man sich zwischendurch schon mal: Wie hätte ich es eigentlich gemacht?
Und wie hätten Sie es gemacht?
Garantiert ganz anders als die Designerinnen, die wir dann prämierten. Ich weiß nicht, ob ich so frech gewesen wäre. Mein Entwurf wäre wahrscheinlich nicht ganz so wild geworden. Aber ich finde den Weg, den Veruschka Götz und Daniela Ziegan vom Büro T616 eingeschlagen haben, durchaus richtig und werde ihn in den nächsten Monaten auch noch weiter begleiten.
Die Gewinnerinnen sind keine ausgebildeten Modedesigner…
Ja, sie sind Kommunikationsdesigner und aus dieser Perspektive an das Projekt herangegangen. Sie haben mehr über Logo und Grafik gearbeitet, als vom Tragekomfort oder ähnlichem auszugehen, wie es jemand getan hätte, der Modedesign studiert hat. Aber das ist ein ganz anderer, frischer Ansatz, der mir sehr imponierte.
Warum braucht Mecklenburg-Vorpommern eigentlich eine neue Tracht?
Die Region hat zwar eine Tradition, aber die ist nicht ganz so offensiv und sichtbar wie beispielsweise das Dirndl in Bayern. Sie ist ein bisschen feiner, um es mal so auszudrücken. Mit dem Wettbewerb wollten wir etwas finden, was zu der Region, dem Land, passt und Verbundenheit schafft, dabei aber auch modern ist. „Trachten neu erleben“, so der Titel des Wettbewerbs.
Wenn man sich an der Küste umschaut, könnte man meinen, es gäbe schon längst eine moderne Tracht: Anker prangen auf Taschen und Tüchern, blaue Streifen auf weißen Shirts. Und dann gibt es noch die gelbe Wetterjacke und die Gummistiefel…
Ja, aber das findet man im ganzen Norden. Es galt etwas zu finden, das typisch ist für Mecklenburg-Vorpommern. Die Designerinnen haben sich dazu viele Gedanken gemacht und tief in Archiven gewühlt. Es war interessant, was sie dabei entdeckten – spezielle Stricktechniken und Applikationen zum Beispiel, oder Symboliken wie den Sanddorn. Am Ende ist ihr Entwurf eine Interpretation der Landesfarben Mecklenburg-Vorpommerns und des Greif und des Bullen, der Wappentiere des Landes. „Nordoster“ haben sie ihre Kollektion genannt.
Die Tracht soll unter anderem in Hotels zum Einsatz kommen. Ist sie dafür nicht ein bisschen zu extravagant?
Natürlich werden die Sachen so, wie es jetzt aussehen, nicht in Produktion gehen. Die Entwürfe sind am Anfang immer etwas überhöht und polarisieren, das gehört dazu. Im Laufe der Entwicklung werden sie etwas heruntergebrochen und alltagstauglicher. Mein Team und ich werden die Kollektion weiter begleiten. Am Ende wird bestimmt eine tolle Tracht draus.
Was wird vom Frechen bleiben, was wird verschwinden?
Die Grüntöne werden sicher etwas reduziert, hier und da sollte ein bisschen Ausschnitt kommen… Die nächsten Monate werden wir an den einzelnen Kollektionsteilen arbeiten, so dass wir im Herbst vielleicht in Produktion gehen können.
Werden die Kollektionsteile auch für Touristen interessant?
Ich kann mir gut vorstellen, dass einzelne Accessoires wie ein Tuch oder eine Tasche sich gut verkaufen werden.
Sie wohnen in Hamburg, welche Verbindung haben Sie persönlich zu Mecklenburg-Vorpommern?
Ich bin in Potsdam aufgewachsen, von dort ist man schnell an der Küste. Es gibt in Mecklenburg-Vorpommern schöne Urlaubsplätze, die auch immer toller werden. Privat bin ich sehr gern in Kühlungsborn. Und ich mag die Menschen. Die sind zwar typisch norddeutsch, aber irgendwie auch ein bisschen weicher als im Westen. Das sollte die Tracht auch widerspiegeln, sie sollte einen gewissen Humor haben.
Das hat sie auf jeden Fall.
Und nicht nur das: Ich fand die Entwürfe so cool, ich würde die sofort anziehen.
Interview: jes.
Der Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift Dünenzeit.
Auch interessant:
- Fashion Week – Mode, vom Meer inspiriert
- Amulette für Atempausen
- Die schönsten maritimen Designtapeten