Oh Wismar, du Schöne! Muss man tatsächlich noch Gründe nennen für eine Reise in diese hübsche Hansestadt mit ihren aufstrebenden Giebelhäusern und Backsteinkirchen? Der Städtetrip ist gebongt. Doch lohnt sich auch ein Urlaub hier? Zweiküsten nennt sieben Gründe dafür – und drei dagegen.
1. Perfekte Base
Wieder zu spät dran gewesen mit der Buchung der Sommerfrische direkt am Meer? Dann auf nach Wismar und die Stadt als Homebase nutzen. Von hier aus kommt man nämlich wunderbar zur Insel Poel mit ihren Stränden sowie nach Boltenhagen, Rerik oder Kühlungsborn. Tatsächlich sind in Wismar noch günstige Ferienwohnungen zu finden, wenn andere Orte preislich völlig durchdrehen. Und ein weiterer Vorteil: An Regentagen wird in Wismar niemandem langweilig (siehe Punkt 2 bis 7).
2. Diese Häuser!
Das Mittelalter hatte nicht nur dunkle, sondern auch ziemlich bunte Seiten: In den verschiedensten Farben leuchten die prächtigen Giebelhäuser aus der Hochzeit der Hanse. Über 300 dieser historischen Stadthäuser haben Kriege, Brände und die DDR überstanden und werden – inzwischen aufwändig und liebevoll saniert – seit 2002 als Unesco-Weltkulturerbe besonders geschützt.
3. Kirchen in XXL
In Wismar wird vor Gott nicht gekleckert, sondern geklotzt: und zwar mit Backstein. 80 Meter hoch ist der Turm der Marienkirche, fünf Meter messen die Zifferblätter der Turmuhr im Durchschnitt. Wie gewaltig muss erst die Kirche gewesen sein, die im zweiten Weltkrieg zerstört und 1960 gesprengt wurde? Die Ruinenreste, die am Fundament jetzt aus den Boden gebuddelt werden, geben eine Ahnung von den Ausmaßen. Doch die Fantasie kommt an ihre Grenzen.
Auch die mächtige Georgenkirche, nur wenige Schritte weiter, wurde im Krieg stark zerstört. Doch blieb noch so viel übrig, dass sich ein Wiederaufbau lohnte. Einst Gotteshaus der Handwerker und Gewerbetreibenden ist die Kirche heute vor allem Ort für Konzerte und Theater. Auf den 36 Meter hohen Turm der Kirche führt ein Fahrstuhl auf eine Aussichtsplattform. Eine weitere Kirche in XXL steht malerisch am Stadtkanal: die St. Nikolai Kirche. Sie hat das vierthöchste Kirchenschiff Deutschlands und war einst die Kirche der Schiffer und Fahrensleute. Unbedingt anschauen!
4. Markt und Wasserkunst
Nicht nur die Kirchen sind riesig. Der Marktplatz ist es auch. Mit 100 mal 100 Metern ist er einer der größten in Norddeutschland. Schade nur, dass hier Autos drumherum fahren und natürlich ständig photobomben, wenn die Kamera die herrlichen mittelalterlichen Fassaden von Bordstein bis Giebel festhalten will. Ebenfalls ein Hingucker: die Wasserkunst in der südöstlichen Ecke des Platzes.
Dieser aufwändig verzierte Brunnen wurde von 1580 bis 1602 nach den Plänen des niederländischen Baumeisters Philipp Brandin aus Utrecht (von ihm ist auch das Schabbelhaus) im Stil der holländischen Renaissance erbaut und diente bis 1897 zur Trinkwasserversorgung der Stadt. Tipp: Am besten genießt man den Markt am frühen Morgen ohne Touristen, bei Bäcker Junge gibt es ein portables Frühstück.
5. Shoppen wie die Anfänger
Schon gewusst? Die Geschichte der deutschen Warenhäuser nahm im Norden ihren Anfang: 1876 eröffnete Georg Wertheim sein erstes Warenhaus in Stralsund, fünf Jahr später gründete Rudolph Karstadt in Wismar sein Imperium: Der viergeschossige Jugendstilbau in der Krämerstraße, Ecke Lübsche Straße ist das Stammhaus der Karstadt AG. Wer hier shoppt, atmet also gleich noch ein bisschen Geschichte.
6. Alter Schwede!
Wer in Wismar ein bisschen Schweden braucht, muss nicht zu Ikea fahren (das nächste ist sowieso erst in Rostock). Denn die Skandinavier, denen die Stadt im Westfälischen Frieden von 1648 zugesprochen wurde, haben überall ihre Spuren hinterlassen. Die „Schwedenköpfe“ vor dem Baumhaus am Alten Hafen sind sogar eine Art Wahrzeichen der Stadt. „Alter Schwede“ heißt das Restaurant in dem schönen alten Bürgerhaus am Markt (Baujahr um 1380) und ist hier offenbar kein Schimpfwort.
Weitere Erinnerungen der Wismarer an die Zeit als Südschweden: das schwedische Kommandantenhaus, das Zeughaus, das barocke Provianthaus sowie der Schwedenstein von 1903, ein 400 Zentner schwerer Felsbrocken mit den Wappen Wismars, Mecklenburgs und Schwedens. Übrigens wurde Wismar erst 1903 offiziell an Mecklenburg zurückgegeben.
7. Die Straßennamen
Sie heißen Bademutter, ABC oder Tittentaster – die Straßen von Wismar haben zum Teil sehr poetische oder lustige Namen. Ein Blick auf die Straßenschilder lohnt also genauso wie der auf die schönen Fassaden.
Was eventuell dagegen spricht:
1. Im Sommer ist es ziemlich voll
Zugegeben, im Sommer kann es in Wismars Straßen ganz schön voll werden. Touristen aus der ganzen Welt stehen staunend vor Fassaden und verstopfen schon mal ein enges Gässlein. Aber andererseits: So ein bunter Misch von Nationalitäten steht dieser ehemaligen Handelsstadt ziemlich gut zu Gesicht. Wer trotzdem genervt ist, der komme einfach ein andermal, denn:
2. Jenseits des Sommers ist es ziemlich leer
Nach den Touristen die Tristesse: Zwischen Herbst und Frühjahr wird es ziemlich leer in Wismars Straßen. Wer das unheimlich findet, setzt am besten gleich noch eins drauf und zieht sich am Abend Murnaus Stimmfilmklassiker „Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens“ rein. Am nächsten Tag dann die Drehorte in der Stadt suchen.
3. Der Strand liegt nicht vor der Tür
Klar, wir haben ja Stadt, nicht Meer gebucht. Vier Kilometer nordwestlich von Wismars Altstadt aber liegt Wendorf. Das Seebad von Wismar hat sogar eine Seebrücke, von der man einen herrlichen Blick nach Wismar genießt. Buslinie 1 fährt den Strand regelmäßig an. Mit denen von Poel und Boltenhagen kann der allerdings nicht mithalten. Also vielleicht besser gleich diese anpeilen.