Bitte mal alle die Bucket-Listen rausholen und folgendes notieren: Kranichrast in Pramort auf dem Zingst. Mit mindestens drei Ausrufezeichen dahinter. Denn dieses Naturschauspiel darf sich niemand entgehen lassen.
Ihre Rufe eilen den Vögeln voraus. Lange, bevor sie am Himmel erkennbar sind, schallt der Krach der Kraniche durch die Landschaft. Dann endlich sieht man sie. Mit majestätischem Flügelschlag schreiben sie große Vs in den Himmel, kommen näher und näher und landen schließlich, einer nach dem anderen, im flachen Wasser. Tausende sind es schon. Man sagt, die schönen Vögel brächten Glück. So viel Glück auf einmal, es ist kaum zu fassen.
Tatsächlich haben wir an diesem Abend im Oktober eine Menge Glück. Denn dass die Vögel so zahlreich erscheinen und sich sogar in Sichtweite niederlassen, ist selbst hier am größten Kranichrastplatz Mitteleuropas nicht unbedingt garantiert. Kranichegucken ist immer auch Glücksache, das macht es so besonders.
12 000 sind es an diesem Abend, schätzt der Mann vom Nabu, der in dem Holzunterstand am östlichsten Zipfel des Zingst sein gewaltiges Fernrohr auf die Tiere gerichtet hat. Wer durchschaut, sieht eine Art Naturdoku, nur live. Da stehen sie dicht an dicht im flachen Wasser, mit dem grauen Gefieder und der leuchtend roten Scheitelplatte. So elegant, so groß, so erhaben. Und so weit weg. Mit bloßem Auge sind die bis zu 1,30 Meter großen Vögel im Wasser gerade mal zu erahnen.
Anders als bei so manch anderer Safari, wo die wilden Tiere schon mal auf Armlänge herankommen, sind Kranichtouren immer auf Abstand. Der scheue Vogel braucht mindestens 300 Metern zwischen sich und dem Menschen. Sonst fühlt er sich gestört, fliegt auf – und verschwendet unnötig die angefutterte Energie, die doch bis Spanien reichen soll. Daher werden hier am Pramort nicht nur die Kraniche gezählt, sondern vor allem die Menschen, die hierherkommen dürfen: 80, dann ist Schluss.
Auch die Zeiten sind streng geregelt. Gegen sieben am Abend müssen die Zuschauer den Park verlassen und dürfen erst nach acht in der Früh wieder herkommen. Den morgendlichen Aufbruch der Kraniche kann man in Pramort also nicht erleben.
Zum Kranichkieken auf den Deich
Dafür auf dem Deich an der Boddenküste, mit Blick auf die Vogelschutzinsel Kirr – wie Pramort ein beliebter Schlafplatz der Kraniche. In aller Früh machen wir uns auf den Weg dorthin und schon von Fern sind die Tiere zu hören. Durch ganz Zingst schallt das Trompeten der Frühaufsteher wie ein dringender Weckruf. Zum Glück hat der Bäcker schon auf, der Kaffee tut gut.
Wir setzen uns auf eine Bank und schauen zur Insel herüber, wo wir die Tiere erahnen. Dann sehen wir sie auch: Auf einmal erheben sich die Massen und brechen auf. Schnell geht das, sehr viel schneller als das Eintrudeln am Abend. Wir könnten den Kranichen nun auf die Felder auf das Festland folgen, wo sie sich den Bauch vollschlagen mit allem, was von der Ernte übrig blieb – Kraftstoff für die Reise in den Süden. Doch wir bleiben vor Ort und finden den Kranich auch hier: an Häusern und Türen, als Skulptur und Schmuck. Zingst ist mächtig stolz auf seine flüchtigen Gäste.
Abends geht es dann erneut Richtung Hafen. Auf dem Deich haben sich schon die Kranichgucker aufgestellt. Mit Kameras, Stativen, Ferngläsern stehen sie da und warten geduldig. Dicht an dicht, wie die Kraniche.
jes.
Anreise nach Zingst
Es fahren keine Züge auf die Halbinsel Fischland-Darss-Zingst, aber dafür der Bus 210, etwa von Ribnitz-Damgarten. In Zingst starten dreimal die Woche Führungen nach Pramort mit Bus und Kutsche. Weitere Informationen gibt es hier.
Wer lieber individuell zu den Kranichen will, fährt mit dem Rad von Zingst nach Pramort (ca. 15 km). Die Nationalpark-Card für Pramort ist für 5 Euro in der Tourimusinformation im Kurhaus oder am Kontrollpunkt Sundische Wiese erhältlich.
Kranichsaison
Etwa Mitte September bis Ende Oktober machen die Kraniche auf ihrem Weg in ihr Winterquartier an der Küste Station und bleiben eine Weile, weil sie sich hier für die Reise stärken und Reserven anfuttern. Auf ihrem Rückweg im Frühjahr halten sie sich auch hier auf, allerdings nicht so lange. Dafür kann man hier dann mit etwas Glück den Paarungstanz erleben.
Unser Hoteltipp auf dem Darss: Das Hotel Bernstein in Prerow. Von hier ist es auch nicht weit zum schönen Weststrand.
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Buchtipp:
Der Ausflug zu den Kranichen ist auch eine der insgesamt 52 kleinen und großen Eskapaden in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostsee: Ab nach draußen! (DuMont Eskapaden), unserem neuen Reiseführer für die Küste. Wenn Ihr das Buch hier bei Amazon bestellen wollt, unterstützt Ihr nicht nur die Autorin, sondern auch dieses Portal mit ein paar Cents, am Kaufpreis ändert sich aber nichts. Mit etwas Glück könnt Ihr hier aber auch ein Exemplar gewinnen.