Er ist der Kopf hinter den meisten Seebrücken an der Küste: Bauingenieur Bernd Opfermann plante schon in den 1970ern Seebrücken für die Ostsee. Heute gehen von den insgesamt 29 Seebrücken 24 auf die Planungen seines Teams zurück, so auch die Seebrücke in Koserow. Ein Interview über die Zukunft dieser maritimen Konstrukte – und die Herausforderungen eines Seebrückenbauers.
Herr Opfermann, was gefällt Ihnen besonders an der neuen Seebrücke in Koserow?
Neben dem großzügigen Brückenkopf gefällt mir der Weg dorthin: Es geht über drei geschwungene, jeweils 100 Meter lange Bögen – von jedem der Eckpunkte hat man einen schönen Blick auf die Konstruktion und das Meer. Vor dreißig Jahren, als Brücken noch kerzengerade sein mussten, wäre solch eine Form niemals genehmigt worden. Heute ist es umgekehrt.
Wie kam es zu diesem Wandel der Formen?
Ursprünglich wurden Seebrücken für den Schiffverkehr gebaut – selbst die in Mecklenburg-Vorpommern, die wir nach der Wende planten. Wismar, Kühlungsborn, Heiligendamm, Graal-Müritz, Wustrow /Dars, Binz … durch eine Schiffslinie der Weißen Flotte sollten all diese Brücken verbunden werden. Ein entsprechendes Konzept war damals die Basis für die umfangreiche Förderung. Aber kaum waren wir mit den Brücken fertig, hatte die „Weiße Flotte“ ihre Flotte verkauft, der Ausflugsverkehr wurde eingestampft. Heute fahren nur noch auf Rügen und Usedom regelmäßig Ausflugsdampfer – und von Kühlungsborn nach Rostock gibt es eine Verbindung. Das war es auch schon.
Die Brücken haben also ihre Bestimmung verloren …
… und die touristische Förderung als Seebrücke wurde schwieriger. 2010 haben wir überlegt, was man da tun könnte. Dann kam mir die Idee, im Förderantrag die Ergänzung „Erlebnismeile auf dem Wasser“ aufzunehmen – und dies wurde positiv aufgenommen.
Wie sahen diese Erlebnismeilen aus?
Zunächst einmal: Nicht kerzengerade! In Heiligenhafen bauten wir im Zickzack. In Niendorf hat der Brückenkopf die Form eines Fisches. Wir bauten Spielplätze und Meereslounges und machten das Meer durch unsere Bauten ganz neu erlebbar. Diese Gestaltung stimmten wir mit Landschaftsarchitekten so ab, dass wir eine machbare ingenieurtechnische Planung um die maßgebenden Belastungsgrößen wie Sturm, Eisgang und Seegangbelastung bei Hochwasser sowie alle Gestaltungselemente vandalensicher umsetzen konnten.
Warum findet man auf diesen neueren Brücken keine Cafés und Geschäfte?
Das hat mit der Förderung im Sinne des Tourismus zu tun. Wenn eine wirtschaftliche Ausrichtung mit üblicher Gewinnausrichtung ins Spiel kam, wäre keine touristische Förderung mit hohen Förderquoten zwischen 60 und 90 Prozent der Investition bewilligt worden. In Heiligenhafen hatten wir daher die Idee einer mobilen Gastronomie – die gibt es nun auch in Koserow: Aus einem kleinen Verkaufswagen heraus werden Getränke und Snacks verkauft.
In Koserow gibt es auch einen Turm mit echten Kirchenglocken. War das eine Herausforderung?
Anfangs sollte der Glockenturm, der an die untergegangene Stadt Vineta erinnert, nur eine Attrappe sein, das Glockengeläut elektrisch. Während der Bauphase wurde entschieden, es richtig zu machen und man erwarb zwei entweihte Glocken aus evangelischen Kirchen. Eine wiegt 800 Kilo, die andere 500. Man kann sich vorstellen, was für Bewegung in die Brücke kommt, wenn diese schwingen. Hinzu kommt der Wind, der durch den filigranen Glockenturm geht. All dies mussten wir berechnen und in der Konstruktion auffangen. Das war wirklich eine Herausforderung – aber es hat sich gelohnt. Ich mag das Ergebnis sehr.
Die Brücke ist auch 1,50 Meter höher als die alte. Warum?
Meine ersten Brücken in Schleswig-Holstein hatten eine Laufebene von 3 Metern. Heute baut man keine Brücke mehr, die nicht mindestens 4,50 Meter über dem Wasser liegt. Grund ist der Klimawandel. Zwar ist der zu erwartende Anstieg des Meeresspiegels minimal, aber die Stürme nehmen zu und werden immer extremer. Vor allem die hohen, kurzen Wellen setzen den Brücken ordentlich zu.
Ist daher so manche Seebrücken gesperrt, etwa in Rerik?
Zwar hat die mit 3 Metern zu niedrige Brücke hier in den letzten 30 Jahren ordentlich was auf die Mütze gekriegt – aber es gibt noch ein anderes Problem: Die Betonrezeptur wurde damals leider nicht nach unseren Vorgaben ausgeführt. Die Gemeinde hat nun entschieden, ohne Förderung mit Eigenmitteln die Brücke zu sanieren. Dabei soll die gerade Form aber beibehalten werden – denn das passt mehr zu Rerik als ein futuristischer Neubau.
jes.
Zum ganzen Artikel über Die neue Ära der Seebrücken geht es hier.
Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift DÜNENZEIT Ostsee, Ausgabe Sommer 2023. Die Zeitschrift mit Reportagen und Ausflugstipps für die Küsten von Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gibt es zum Preis von 8,50 Euro am Kiosk oder hier online.