Sie war noch gar nicht auf der Welt, aber schon auf Texel: Im Bauch der Mutter besuchte Therese das erste Mal Hollands größte Nordseeinsel – später mit der Familie jeden Sommer, und zwar bis sie 17 ist. Dann musste sie erstmal in Swasiland ihr Abi und in den USA ihren Bachelor machen. Letzten Sommer war sie wieder auf Texel – wie immer im Ferienhaus, das ihrer Oma gehört. Und wo es so viele Gedecke gibt, dass man den Tisch zum Frühstück jedes Mal anders herrichten kann. Therese steht auf so was. Und auf Texel, das sie natürlich Tessel ausspricht, wie die Insulaner. Für zweiküsten hat sie sieben Gründe für einen Urlaub auf Texel notiert. Und drei dagegen.
1. Weil der Strand endlos ist.
Der bombastische Badestrand erstreckt sich über 30 Kilometer auf der westlichen Seite der Insel. Selbst in der Hochsaison tritt man sich hier nicht auf die Füße. Ich bin am liebsten am Paal 12 – ein nummerierter Strandpaal bezeichnet einen bestimmten Abschnitt –, auch Jan Ayeslag genannt. Dort finden im Sommer tolle Konzerte statt und der Weg durch die Dünen bietet einen besonders weiten Blick. Wer eine Pause vom Strandleben braucht, setzt sich auf die windgeschützte Terrasse des Strandpavillons und genießt die Texelanische Käseplatte mit einem Biertje, während er weiterhin Wolken und Wellen zuschaut.
2. Weil man hier auch fern des Strandes glücklich wird.
Keinen Bock auf Strand? Kein Problem. Genießt einfach den Kiefernduft auf einem der weichen Wanderwege im Nadelwald De Dennen, sonnt euch umgeben von lila Heidekraut in der Naturlandschaft De Bollenkammer, oder macht eine Radtour über die Insel. Ich könnte etliche Lieblingsfleckchen aufzählen. Zum Beispiel den kleinen Aussichtsplatz am Waldrand in De Koog, ursprünglich eingerichtet zum Vögelbeobachten auf der angrenzenden Wiese. Ein hoher Zaun mit kleinen Gucklöchern schützt vor Blicken anderer und dem Wind. Der Wald spendet Schatten. Ich habe dort als Teenie immer mit meinem mp3-Player Musik gehört und unbeobachtet Choreographien einstudiert.
Oder auch das Naturschutzgebiet De Slufter. Hier haben mein Bruder und ich Hochhäuser (Dünen) erklommen, Feuerwände (Pfützen) übersprungen, Helikopter (Vögel) zu uns gewunken, und sind der Flut immer wieder ganz knapp (gar nicht knapp) entkommen. Heute finde ich den offenen Zugang zum Meer atemberaubend schön.
3. Weil man hier mit Robben planschen kann.
Um die Robbe am beliebten Strand Paal 17 anzulocken, tobt am späten Nachmittag so laut und wild wie ihr könnt in den Wellen. Irgendwann werdet ihr bemerken, dass zwei große schwarze Augen euch aus etwa zehn Metern Entfernung beobachten. Wenn ihr vor Schreck und Freude dann noch lauter lacht und kreischt, wird euch ein gut aussehender Holländer mittleren Alters zurufen, dass die Robbe euch schon bestimmt seit einer Viertelstunde neugierig zuschaut, dass sie vom Naturzentrum Ecomare freigesetzt wurde und den Strand regelmäßig besucht.
4. Weil es hier Strandräuber gibt.
Das Juttersmuseum Flora in De Koog ist ein Paradies für alle, die gern staunen. Etliche am Texelstrand angeschwommene Objekte türmen sich in Kisten, bedecken die Wände und hängen von oben herab. Zum Beispiel Hunderte von Bojen. Radios. Schwimmwesten. Flaggen. Spielsachen. Wirkt ein bisschen wie eine riesige Kunstinstallation, das Meer der Dinge. Und immer wieder werden euch Gegenstände begegnen, von denen ihr einfach nicht glauben könnt, dass sie überhaupt im Meer gelandet sind.
5. Weil Hunde hier glücklich werden.
Auf Texel gibt es keinen Hundestrand, hier dürfen die Vierbeiner früh morgens überall toben – weshalb Hundebesitzer mit Vorliebe nach Texel kommen. Und ein Morgenspaziergang mit dem Hund am Strand, das ist ein bisschen wie Hundehimmel. Hundeliebhaber, die leider keinen eigenen Hund haben, können morgens natürlich trotzdem einfach an den Strand gehen. Man kann stundenlang mit den Vierbeinern anderer Leute durch die Brandung toben und selig fremde Hundeohren kraulen.
6. Weil der Gaumen auch nicht zu kurz kommt.
Sanddornmarmelade und Skuumkoppe Texelbier – kulinarische Genüsse ohne Gleichen. Dubbelvla, wenngleich keine Inselspezialität, begeistert mich seit frühester Kindheit: Schoko- und Vanillepudding fließen unvermischt (!) aus demselben Tetrapack. Das weltberühmte Texelanische Lammfleisch muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, aber manch einer denkt bei Lämmchen eher an Kuscheln als Essen. Wenn ihr bei „Schapenborderij Texel“ Lammetjes knuffelen geht, bestaunt unbedingt auch das Schaf mit den fünf Pfoten!
7. Weil man hier immer noch was entdecken kann.
Mitten in Den Burg – dem proppevollen Ort, in dem sich jeden Montag Vormittag alle beim Markt auf die Füße treten – gibt es ein verstecktes Plätzchen himmlischer Ruhe: den Kräutergarten hinter dem historisch eingerichteten Haus De Oudheidkamer. Drinnen ist es natürlich auch schön. Meiner Mutter gefallen vor allem die Briefe der Texelanerin Aagje Luijtsen, die den Seemann ihres Herzens in den 1770ern schrecklich vermisst hat. Sie sind im oberen Stübchen ausgestellt. (Auch in abgetippter Version. Gott sei Dank! Aagjes Sauklaue ist echt unmöglich.)
Was eventuell gegen Texel spricht:
1. Es gibt viel zu viele Autos auf der Insel.
Nein, Texel ist keine autofreie Insel. Im Gegenteil: Es gibt hier ganz schön viele Autos. Dass manche Einheimische eins brauchen, muss man verstehen. Aber warum müssen die Touristen auch noch mit Autos anreisen? Die Fähre kostet für Fußgänger nur 2,50 Euro. Mit PKW zahlt man allerdings 37 Euro. Also fahrt doch bitte einfach mit dem Zug hin und leiht euch Fahrräder auf der Insel. Dann könnt ihr auch mit Rückenwind den Deich entlang sausen. Ohne treten! Rechts: kauende Schafe auf grüner Wiese. Links: Wasser und Himmel. Oder andersrum… (Vor jeder Fahrradtour unbedingt die Windrichtung checken! Meist kommt der Wind vom offenen Meer, aber ab und zu bläst er vom Inland. Gegenwind ist immer hart, aber auf dem Deich ganz besonders.)
2. Bei Bäcker Timmer kommt der Kakao jetzt aus einer Maschine.
Bäcker Timmer gibt es auf Texel schon seit 1910, mittlerweile sowohl in Den Burg als auch De Koog. Als ich klein war, wurde der Kakao noch mit Liebe gerührt. Aus der Maschine schmeckt er zwar immer noch gut, aber eben nicht mehr ganz so toll. Nach wie vor zu empfehlen sind die Rosinenbrötchen und das Käse-Zwiebel-Brot. Und alles andere.
3. Diese verdammten Elektrofahrräder!
Da hat man einmal vergessen, die Windrichtung zu checken und strampelt sich auf dem Deich mit Gegenwind den Ast ab, während weniger fitte und erheblich ältere Menschen auf ihren Elektrofahrrädern an einem vorbeizischen. Die schwitzen nicht mal! Besser als Auto, klar. Aber nur wer sich abgestrampelt hat, kann Rückenwind wirklich genießen.
Autorin: Therese Kienemund
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