Die kleine Insel Langenwerder vor Poel darf seit mehr als hundert Jahren nur von Vogelschützern betreten werden. Doch an manchen Sonntagen im Sommer sind drei handvoll Besucher auf der Insel erlaubt.
Den Schlapphut tief ins Gesicht gezogen, das riesiges Stativ geschultert wie ein Cowboy seine Flinte, die bloßen Füße im knietiefen Wasser – der Auftritt eines Vogelwarts könnte kaum lässiger ausfallen. Und wir, die am gegenüber liegenden Strand von Gollwitz auf ihn warten, haben alle Zeit, ihn auszukosten. Denn das Wasser bremst jeden Schritt. Es dauert, bis der Vogelwart vor uns steht.
Ein paar einleitende Worte, dann waten auch wir durch das flache Kuhlenloch auf die 800 Meter lange und 500 Meter breite Insel: im Gänsemarsch, Schuhe und Handys fest an uns gedrückt – der Ausflug auf die Vogelinsel ist von Anfang an ein Abenteuer.
Ein exklusives sowieso: Seit mehr als hundert Jahren darf die Insel nämlich nur von Vogelschützern betreten werden. Doch wenn die Vögel all ihre Eier ausgebrütet haben, Ende Juli etwa, dürfen einmal pro Woche drei handvoll Besucher rauf auf die Insel. Nach Anmeldung, versteht sich.
„Wie im Watt“, sagt jemand, als unsere Füße im Matsch Halt suchen. Nordseefeeling im Ostseeschlamm. Der Vogelwart stellt das Archiv auf, schraubt das Fernrohr fest und lässt uns abwechselnd herantreten und durchlugen. Ein Austernfischer, dessen schwarz-weißes Gefieder an eine Elster erinnert, ist der erste Vogel im Visier.
Muschelschlucker und treue Seelen
Der kleine Vogel stochert nach Muscheln im Sand, seinem Lieblingsessen. Kleine Muscheln – 8 bis 12 Millimeter Durchmesser – verschlingt er ganz. Größere meißelt er mit seinem Schnabel auf. Austernfischer sind treue Seelen, Trennungen kommen selten vor, doch stirbt der Partner, wird nicht lange fackelt und binnen weniger Tage Ersatz klar gemacht.
Wenig später gibt es noch einen Alpenstrandläufer zu sehen. Brandseeschwalben fliegen auf – der Vogel, der auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands in der Kategorie 1 als vom Aussterben bedroht geführt wird, hat hier den wohl einzigen Brutplatz an der Küste Mecklenburg-Vorpommerns. Und natürlich gibt es die Sturmmöve zu sehen, mit 2000 Paaren brüten hier so viele wie nirgendwo sonst im Land.
Inzwischen haben wir den Elektrozaun passiert, einen brütenden Mittelsäger im Gebüsch entdeckt, die verlassenen Eier einer Brandgans gesehen – und sind im Häuschen des Vogelwärters angekommen. Dicke Möwen glucken vor dem Reetdach, unbeeindruckt von den Besuchern. Der Vogelwart holt einen Flussuferläufer, den er vorher gefangen hatte, aus einem Kästchen. Vor unseren Augen der Besucher wird der kleine Vogel beringt und gemessen.
Birdwatching vom Badetuch
Dann geht es auch schon zurück. Doch der Tag ist zu schön, um nicht noch an den Strand zu gehen. Zwei Möglichkeiten gibt es: durch das Wasser zurückwaten und sich am Strand einen der Strandkörbe sichern, mit Blick auf die Insel, oder einfach weiter am Rand des Langenwerder entlang laufen und auf der benachbarten Sandbank das Badetuch ausbreiten. Das Wasser ist hier sehr lange sehr flach – man kann ewig durch knietiefes Wasser waten oder sich einfach ins Meer hineinlegen wie in eine überdimensionierte Badewanne.
Man kann aber auch vom Badetuch ein bisschen Birdwatching betreiben: Also Fernglas raus und die Insel herangezoomt. Da, der Vogel mit dem nach oben gebogenen Schnabel – ein Säbelschnäbler! Der braunweiße Vogel mit den orange leuchtenden Beinen – ein Rotschenkel? Und so verfliegt die Zeit, als hätte auch sie Flügel…
jes.
So geht es auf die Insel
Führungen immer Sonntags: von Ende Juli bis Oktober geht es auf die Insel, ansonsten wird mit dem Vogelkundler von Poel aus herübergeschaut
Termine und weitere Informationen auf der Internetseite des Vereins Langenwerder.
Anreise: mit dem Bus ab Wismar nach Gollwitz und von der Bushaltestelle an den Strand laufen; mit dem Auto den Parkplatz am Ortseingang Gollwitz benutzen.
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Buchtipp:
Der Ausflug auf den Langenwerder ist auch eine der insgesamt 52 kleinen und großen Eskapaden in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostsee: Ab nach draußen! (DuMont Eskapaden), unserem neuen Reiseführer für die Küste. Wenn Ihr das Buch hier bei Amazon bestellen wollt, unterstützt Ihr nicht nur die Autorin, sondern auch dieses Portal mit ein paar Cents, am Kaufpreis ändert sich aber nichts: