Mönche gaben Rügens östlichster Halbinsel einst ihren Namen: ein Zisterzienserkloster vom Festland nutzte viele Jahrhunderte das Land zwischen Ostsee und Bodden, ließ seine Mönche hier Bier brauen, Kräuter sammeln und Ruhe finden. Die Mönche sind lange weg – ruhig ist es hier, zwischen Baabe und Thiessow, aber noch immer, weshalb Mönchgut gern als „Geheimtipp“ gehandelt wird. Für viele ist es gar die schönste Ecke Rügens. Doch was ist dran an dem Hype? Wir haben uns auf der Halbinsel umgeschaut – und tatsächlich viele Gründe gefunden, hinzufahren:
1. Das Wasser!
Es ist egal, wo man sich auf Mönchgut einquartiert – zum Wasser sind es immer nur ein paar Schritte. Denn die Halbinsel ist sehr schmal und besteht zudem aus verschiedenen Landzungen, die sich so genüßlich ins Wasser strecken als wäre es eine riesige Eistüte. Besonders eindrucksvoll ist das vier Kilometer lange und 200 bis 500 Meter breite Reddevitzer Höft. Ein derber Plattenweg führt zur Zungenspitze, die den Radfahrer mit einem wilden Naturstrand belohnt.
Apropos Strände. Davon gibt es hier besonders herrliche Exemplare. Der zwischen Thiessow und Lobbe, Gager Strand genannt, ist wohl einer der schönsten, den Rügen zu bieten hat (siehe Foto ganz oben). Auch wenn auf dem 2,5 Kilometer langen Sandstreifen selbst in der Hochsaison jeder seinen Platz findet – es ist doch oft recht voll. Beschaulicher geht es auf dem kleinen, unbewachten Strand hinter Thiessow zu.
2. Die niedlichsten Berge der Welt
Berge sagen sie! Alpen sogar! Dabei sind die Zickerschen Erhebungen bestenfalls Hügel. 66 Meter misst der höchste. Es sind Berge für Zwerge. Tatsächlich erinnern die Hügelchen aus der Ferne an das tolkiensche Auenland. Und es würde nicht wundern, kämen ein paar Hobbits des Weges. Aber es sind nur Schafe, die man hier trifft. Und eine einige wenige Wanderer. Erstaunlich, dass hier nicht mehr los ist – denn die Zickerschen Berge bieten nicht nur einen der schönsten Wanderwege an der Küste (2017 nominierte das Wandermagazin den Zicker-Berge-Rundweg sogar für „Deutschlands schönste Wanderwege“), sondern auch den wohl kurzweiligsten. (Startpunkt am besten hinter der Kurverwaltung Gager.)
3. Diese Dörfer!
„Das schönste Dorf der Welt ist Groß-Zicker am Bodden“, sagt die Autorin Katharina Höftmann und hat gleich einen ganzen Roman hier verortet. Eine Liebesgeschichte natürlich. Von einem Fischer und einer Frau. Klischees, klar. Aber wer einmal die Hauptstraße dieses Dörfleins entlangspazierte, vorbei an diesen hübschen reetgedeckten Häusern, die andächtig den Blick auf das Wasser genießen, während meterhohe Stockrosen sich sanft in Vorgärten wiegen, versteht jeden, der hier im Klischee glücklich wird.
Dem Besucher machen es die Dörfer in Mönchgut in der Regel leicht: Anders als Ansiedlungen im Innenland, die sich um einen Ortskern herumentwickeln und dabei zuweilen etwas unübersichtlich werden, gibt hier, bis auf wenige Ausnahmen, das Meer Struktur, das heißt: Die Dörfer sind schnell zu erfassen, in der Regel folgt man einfach der Haupstraße, die parallel zur Küste verläuft, und schon hat man alles gesehen. In Klein-Zicker führt diese über eine kleine Anhöhe und belohnt den Spaziergänger mit einem ganz besonders fantastischen Blick auf das Meer. In Groß-Zicker nicht verpassen: Das Pfarrwitwenhaus aus dem Jahr 1720.
Im letzten Jahr erschienen übrigens gleich zwei Romane, die in Mönchgut spielten. Lest hier mehr.
4. Das Wetter!
Auf dem Mönchgut regnet es so wenig, dass sich in den Zickerschen Alpen so genannte „Trockenrasen“ ausbreiten. Der Mangel an Wasser und Nährstoffen führt hier aber keineswegs zu öden Landschaften, sondern im Gegenteil: zu fantastischen Blumenteppichen. Die Pflanzen haben sich an den nährstoffarmen Standort angepasst und eine erstaunliche Vielfalt hervorgebracht. Viele der hier wachsenden Blumen und Gräser findet man sonst nur am Mittelmeer oder in Steppen. Mehr als neunzig stehen auf der „Roten Liste“ der gefährdeten Arten. Überhaupt ist das Klima auf dem Mönchgut besser als auf dem Rest der Insel. Das macht die Lage zwischen Ostseeküste und Boddenlandschaft. Und der gute Mix aus sanft hügeligem Weideland und intakten Wäldern.
5. Diese Ausblicke!
Rügen hat zweifelsohne grandiose Ausblicke zu bieten. Dafür sorgen vor allem die Kreidefelsen im Norden der Insel, die ja auch diverse Maler – allen voran Caspar David Friedrich – inspirierten. Der Andrang dort ist dementsprechend groß. Wer seinen Ausblick indes lieber ganz für sich genießt, fährt nach Mönchgut. Ungestört schweift der Blick über das Meer und die Küste und bleibt allenfalls an ein paar Kormoranen hängen, die ihre Flügel in der Sonne trocknen – und weniger an Touristenmassen, die ihre Kameras zücken.
Unsere Top-3-Ausblicke: 1) der Ausblick hinter dem Ort Klein-Zicker, 2) von der Holztreppe zum Nonnenloch in den Zickerschen Bergen (siehe Foto), 3) auf dem Steg vom Imbiss Ahoi Marie in Alt-Reddvitz (siehe Bild unten).
6. Schöner Campen
Zugegeben, noble Hotels sucht man auf Mönchgut eher vergeblich. Auch schicke Ferienwohnungen sind rar. Stattdessen hat Mönchgut zahlreiche Campingplätze zu bieten, deren Charme und Lage vieles aufwiegen, was an Komfort vielleicht fehlen mag. In Lobbe zum Beispiel kann man direkt hinter der Düne campen, sofern man rechtzeitig reserviert (ein Teil des Campingplatzes liegt allerdings hinter einer viel befahrenen Straße, Lageplan checken!).
Über diese Straße, die L292, müssen auch die Camper in Thiessow, sofern sie an den Ostsee-Strand wollen, dafür haben sie aber den schönen Bodden direkt vor der Nase. Sehr lauschig ist es auch auf dem Campingplatz in Gager unweit des kleinen Hafens, allerdings ist der schöne, lange Ostseestrand gut zwei Kilometer weg.
7. Der netteste Fischer der Welt
Ein großer Vorteil am Campen: Man könnte jeden Tag bei Thomas Koldevitz im Hafen von Gager einkaufen und sich den frischen Fisch später vor dem Zelt gut gegrillt schmecken lassen. Und das empfiehlt sich nicht nur wegen der herrlichen Ware, die der Mann jeden Tag aus dem Wasser holt, sondern vor allem wegen seines spröden Charms. Koldevitz ist ein Mönchguter Original, eine Institution in Gager – und der lebende Beweis, dass der nächste Punkt vermutlich totaler Quatsch ist.
Was eventuell gegen Mönchgut spricht:
1. Die Poken!
Stur seien sie. Verschlossen. Eigensinnig. Schweigsam. Fragt man nach dem Wesen der Mönchguter, hört man nicht viel gutes. Bestenfalls wird noch der besondere Humor erwähnt, der sich allerdings gern auch gegen einen richtet. Die abgeschiedene Lage sei schuld an diesem eigenwilligen Menschenschlag, erklären Reiseführer, sowie das harte Leben als Bauer und Fischer. Und nicht zu vergessen das niedersächsische Naturell, das die Einwanderer vor vielen hundert Jahren einschleppten.
Doch diese Sturheit hat auch etwas gutes: Traditionen und Trachten konnten sich hier über Jahrhunderte erhalten. So tanzt der Mönchguter zum Beispiel heute noch gern seinen „Schüddel de büx“ in historischen Gewändern. Eine andere Tradition scheint man aber zum Glück aufgegeben zu haben: nämlich die, bei Schlägereien gern mal das Fischermesser zu zücken. Dieser unfreundlichen Eigenart sollen die Menschen hinter dem „Mönchgraben” übrigens ihren Spitznamen verdanken: „Poken“ kommt von „pieken“.
2. Der Rügenmarkt
Ach, Spaß macht es schon, über den Rügenmarkt zu flanieren und alle Souvenirs auf einmal zu kaufen: Sanddornsaft vom Kap Arkona, Honig aus Mönchgut, Keramik aus Stralsund. Es riecht nach Räucherfisch und frisch gebackenem Brot, nach Quarkkeulchen und Kartoffelpuffer. Gut 100 Händler präsentieren am Hafen von Thiessow ihre Waren, der für eine malerische Kulisse sorgt.
Wenn nur nicht die ganzen Massen wären, die dafür in der Sommersaison jeden Dienstag und Donnerstag in das beschauliche Mönchgut einfallen, die Hauptstraße verstopfen und für Hektik sorgen! Die schöne Ruhe, für die man hierher kommt, ist dann erstmal hin.
3. Ab vom Schuss
Diese Idylle und Ruhe, für die Mönchgut steht, hat ihren Preis: Wer mit den Öffentlichen unterwegs ist und sich noch dazu für den südlichen Teil der Halbinsel entscheidet, kommt schwer vom Fleck. Die Busse fahren nicht sehr oft und auch nicht immer dann, wenn sie laut Plan sollten – oft stecken sie in der Autokolonne zwischen den Badeorten Binz, Sellin und Göhren fest. Am besten mietet man sich ein Rad – und strampelt im Schatten hoher Bäume auf herrlichen Waldwegen direkt hinter der Düne lang. Herrlich!
Alle hier erwähnten Orte auf der Karte
Mehr lesen über Mönchgut? Dann hier entlang. Tipp für offline: In unserem Buch 52 kleine & große Eskapaden auf und um Rügen: Ab nach draußen! (DuMont Eskapaden) führen natürlich auch diverse Touren nach Mönchgut. (Bei Bestellung über diesen Link bekommen wir ein paar Cent, am Kaufpreis für euch ändert sich nichts.)
Oder lieber weitere Bilder gucken? Bitteschön:
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